Mannheim - Ein denkwürdiger Tag für die neunzehn muslimischen Frauen und Männer, die ihr Zertifikat nach Absolvierung der Ausbildung Islamische Krankenhausseelsorge überreicht bekamen. Denkwürdig aber auch deshalb, weil damit das Verfassungsrecht auf Seelsorge auch für unsere muslimischen Mitbürger realisiert wird.
Das Uniklinikum Mannheim hatte dem ausbildenden Mannheimer Institut für die Zertifikatsübergabe Seminarräume im Patientenhaus zur Verfügung gestellt. Der Pflegedirektor Hagen Kern, berichtete über die positiven Erfahrungen der Uniklinik mit dem schon über ein Jahr arbeitenden islamischen Seelsorger und den nun neu hinzu kommenden zwei Seelsorgern. Als weiterer Vertreter der zwanzig Krankenanstalten in der Region, die islamische Seelsorgerinnen und Seelsorger aufnehmen, sprach Dr. Jörg Breitmeier vom Krankenhaus Zum guten Hirten in Ludwigshafen. Träger dieses katholischen Krankenhauses ist die Stiftung der Kongregation der Schwestern vom Göttlichen Erlöser (Niederbronner Schwestern). Er betonte in seinem Beitrag die christliche Liebe zum Nächsten, aus dem heraus die Schwesternschaft sich zur Aufnahme von islamischen Seelsorgern entschlossen hat, damit nun auch die muslimischen Patienten in diesem und im St. Vincentius Krankenhaus Speyer seelsorgerisch betreut werden können.
Talat Kamran, Leiter des Mannheimer Instituts, bedankte sich bei den Krankenhäusern. Diese hatten im Vorfeld die Bedarfslage recherchiert und sich nach Abwägung organisatorischer und anderer wichtiger Aspekte zur Aufnahme von islamischen Seelsorgerinnen und Seelsorgern entschlossen. Weitere Worte des Danks waren an die Integrationsverantwortlichen der Städte und Kreise und die Moscheevereine gerichtet. Den Teilnehmer-innen und Teilnehmern der Ausbildung, so sagte er, ist für ihr ehrenamtliches Engagement Respekt, Achtung und besonderer Dank entgegenzubringen.
Dr. Georg Wenz von der ev. Akademie der Pfalz in Landau ging in seinem Grußwort auf Aspekte der Seelsorge mit Bezug auf die Bibel und den Koran ein, ebenso auf den für unser Zusammenleben unverzichtbaren christlich-isamischen Dialog. Weiter war von ihm zu hören, dass auf einer kürzlich stattgefunden Fachtagung zur islamischen Seelsorge über Konzepte für die Seelsorgebereiche diskutiert und praktische Schritte zur Unterstützung der mittelfristigen Etablierung vereinbart wurden.
Hannele Jalonen, Integrationsbeauftragte der Stadt Ludwigshafen, ergriff spontan das Wort und gab damit den Integrationsverantwortlichen von Städten und Kreisen an den Standorten der Krankenanstalten eine Stimme. Aus Ihrer Sicht wird mit der islamischen Seelsorge an den Krankenhäusern ein wichiger Integrationsschritt getan, dem weitere, z. B. für die Notfall- und Gefängnisseelsorge und die Betreuung von Muslimen in Altenheimen folgen müssen. Die Initiative wurde aus diesen Gründen durch die Übernahme eines Anteils der Ausbildungskosten für vier Plätze an Krankenanstalten in Ludwigshafen unterstützt.
Für die Moscheevereine war die Initiative wohl zunächst eine Überraschung, da die Seelsorge, so wie sie in Deutschland durch die christlichen Kirchen gegeben ist, nicht bekannt ist. Muslime besuchen dem Koran folgend die Kranken und stehen ihnen in dieser schwierigen Lebenssituation bei. Die heutige reale Situation ist kaum bekannt. Leider gibt es auch bei den muslimischen Familien sich auflösenden Strukturen. Das ist an der wachsenden Zahl alleinstehender Muslime in Krankenanstalten, in Altenheimen und Einrichtungen für betreutes Wohnen zu beobachten. Nach Informationsveranstaltungen und Vorträgen in Moscheen haben eine ganze Reihe von örtlichen Moscheevereinen die Initiative unterstützt und ebenfalls einen Teil der Ausbildungskosten übernommen.
Talat Kamran und der ehrenamtlich tätige Ausbildungsleiter des Instituts, Alfred Miess, sprachen auch über den Austausch mit den Integrationsverantwortlichen der Länder Baden-Württemberg und
Rheinland-Pfalz über die Islamische Seelsorge. Die Länder begrüßen die Initiative für die Region Rhein-Neckar und auch die Planungen zur Ausweitung auf alle Krankenhäuser. Dazu sollen zusammen mit den islamischen Dachverbänden Ausbildungsregionen definiert und Ausbildungsstandards für die Fach-Seelsorgebereiche entwickelt werden.
Es gab und es gibt Bedenken bei den Verbänden, weil man dort verständlicherweise die Seelsorge als originäre Aufgabe der Religionsgemeinschaft sieht und den theologischen Fundierungen als wichtigem Teil der Ausbildung große Bedeutung zumisst. Diese Bedenken, so sieht man es beim Mannheimer Institut, können die Verbände durch die Schaffung von Standards und Ausbildung nach diesen Standards ausräumen.
Auf die theologischen Fundierungen als Teil der Ausbildung ist Duran Terzi eingegangen. Er hat als Theologe und Islamwissenschaftler die Ausbildung als Moderator begleitet und die Fachreferenten ergänzend betreut. Aus seiner Sicht sind alle aus dem Islam heraus zu betrachtenden Aspekte bearbeitet worden. Verbesserungsmöglichkeiten sieht er stellenweise in der Vertiefung von Themen und z. B. in der Anleitung zu Gruppengebeten, wie es von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern gewünscht wurde.
An die islamischen Landesverbände wurde von Alfred Miess der Vorschlag unterbreitet, auf einer vom Institut organisierten Arbeitstagung im Februar 2013 gemeinsam mit Fachkräften des jeweiligen Seelsorgebereichs die Standards für die Krankenhaus-, Notfall-, Altenheim- und Gefängnisseelsorge zu erarbeiten und zu vereinbaren. Dabei sollen auch alle dazu gehörenden Aktivitäten wie Teilnehmer-Auswahlverfahren, Organisation, Verwaltung, Ausbildung von regionalen Ausbildungsleitern usw. mit Standards vereinbart werden, ebenso deren Einhaltung durch regelmäßige Qualitätskontrollen. Das wären dann die kaum abzuweisenden Standards der islamischen Religionsgemeinschaft.
Krankenanstalten, Notfallorganisationen usw. würden dies sicher sehr begrüßen. Es kommt „eine“ islamische Seelsorgerin oder „ein“ Seelsorger z. B. in die Krankenanstalt, die sich in einem Auswahlverfahren als geeignet erwiesen hat und eine entsprechende Ausbildung hat. Sie oder Sie oder Er ist der richtige Mensch für diese sensible Aufgabe. Die Zugehörigkeit zu einem Moscheeverein bzw. einem Verband hat für ein Krankenhaus und ganz sicher für die Patienten in der Krankheitssituation keine Bedeutung.
Von Alfred Miess wurde ein Flyer für Krankenanstalten vorgestellt, der in deutscher, türkischer und arabischer Sprache Patienten die islamische Seelsorge im Haus beschreibt. Auch die Vorschläge für die Gestaltung von muslimischen Gebetsräumen fanden großes Interesse. Bisher gibt es nur in ganz wenigen Krankenanstalten einen Gebetsraum für Muslime. Wohl durch die Initiative und Nachfrage der Muslime angeregt, hatten einige Krankenanstalten in den vergangenen Monaten das Institut auf diese Thematik angesprochen. Das Institut erleichtert die Realisierung auf Wunsch mit einem objektbezogenen Gestaltungsvorschlag und Ausstattungslisten mit Lieferantenangaben und Kostenangaben.
Mit den kurzen Beiträgen der genannten Personen war der Rahmen aufgezeigt, in dem sich das Mannheimer Institut bewegt hat und in Zukunft bewegen will. Anlass für diesen Tag war die Übergabe der Zertifikate an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Ausbildungsgangs im ersten Halbjahr. Sie kommen aus unterschiedlichen kaufmännischen und handwerklichen Berufen und haben ihren Ursprung in Mazedonien, im Kosovo, in Bosnien, in Marokko. Etwa zwei Drittel der Teilnehmer/innen sind türkischen Ursprungs. Bei der Auswahl war die Eignung, nicht die Zugehörigkeit zu einem Moscheeverein oder Verband entscheidend.
Rachid Aboulfath, Fatma Soylu und Serpil Topal erzählten von ihren persönlichen Erfahrungen und oft sehr berührenden Begegnungen mit Patienten und auch Angehörigen. In den Gesprächen während der Veranstaltung war von den frischgebackenen Seelsorgerinnen und Seelsorgern immer wieder zu hören, dass sie in den Krankenhäusern von Geschäfts- und Pflegeleitungen, Ärzten und Pflegepersonal und den christlichen Seelsorgern sehr gut aufgenommen wurden und beste Unterstützung erfahren haben.
Hinter Ihnen liegen nun 175 Stunden Praxis orientierter Unterricht an den Wochenenden und 55 Stunden Praktikum in den Krankenanstalten, begleitet von 25 Stunden Supervision. Eine wirklich große und ehrenwerte Anstrengung für die zukünftige ehrenamtliche Tätigkeit, die neben der beruflichen Tätigkeit und den vielfältigen Aufgaben im privaten Bereich geleistet wurde. Jetzt werden sie für zunächst zwei Jahre ehrenamtlich mit etwa 600 bis 800 Stunden zeitlichem Aufwand Muslime in den Krankenanstalten betreuen. Dazu haben sie sich verpflichtet. Diesen Frauen und Männern gilt es uneingeschränkt zu danken, ihnen gebührt großer Respekt und Hochachtung für ihr Engagement.
So fand die Übergabe der Zertifikate, zu dem die islamischen Seelsorgerinnen und Seelsorger meist von ihrer Familie begleitet wurden, in einem angemessenen würdevollen Rahmen im Patientenhaus der Uniklinik Mannheim statt. Damit gibt es nun an zwanzig Krankenanstalten in der Metropolregion Rhein-Neckar islamische Seelsorger-innen.
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